Die Windenergie deckte 2019 fast ein Viertel des gesamten deutschen Strombedarfs. Damit der Aufwind anhält, müssen die auf jahrzehntelange Laufzeiten ausgelegten Windkraftanlagen dauerhaft ausfallsicher funktionieren. Mit professioneller Messtechnik und moderner Prüfsoftware unterstützt Gossen Metrawatt Windparkbetreiber und Prüftechniker bei der normgerechten Prüfung der elektrischen Sicherheit ihrer Anlagen.
Neu errichtete Anlagen verfügen meist über Nennleistungen von mehreren Megawatt und Generatoren, die Wechselstrom im Spannungsbereich von 690 V erzeugen. Dieser Entwicklung muss die Prüftechnik Rechnung tragen, damit gewährleistet ist, dass sich die hohen Investitionen in den Ausbau dieser Technologie auszahlen und die von Versicherern verlangte Zuverlässigkeit während der gesamten Laufzeit erhalten bleibt.
Für das integrale Prüfdatenmanagement hat Gossen Metrawatt mit IZYTRONIQ eine geräteübergreifende Prüfsoftware mit skalierbarem Funktionsumfang eingeführt. Mit dieser Softwarelösung lässt sich die gesamte elektrische Infrastruktur als digitaler Zwilling abbilden. Sämtliche Messpunkte können in einer einheitlichen Anlagenstruktur bestimmt, bezeichnet und im Prüfprozess Schritt für Schritt abgearbeitet werden.
Windkraftanlagen gelten laut Betriebssicherheitsverordnung (BetrSichV) als abgeschlossene elektrische Betriebsstätten zur Energieerzeugung. Als solche sind sie nach den Vorgaben der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV) regelmäßig auf ihre elektrische Sicherheit zu prüfen. Die Erstprüfung dient dem Nachweis der normkonformen Errichtung sowie der Aufdeckung und Behebung etwaiger Installationsmängel. In Wiederholungsprüfungen wird die Betriebssicherheit mit Blick auf alterungsbedingte Beeinträchtigungen und veränderte Installationen begutachtet. Nach DGUV-Vorschrift 3 sollte der Abstand zwischen zwei Prüfungen bei elektrischen Anlagen und ortsfesten elektrischen Betriebsmitteln, die normalen Beanspruchungen durch Umgebungstemperatur, Staub, Feuchtigkeit und andere Umwelteinflüsse ausgesetzt sind, maximal vier Jahre betragen.
Im Teil 6 des 2005 verabschiedeten Gesetzes über die Elektrizitäts- und Gasversorgung (EnWG, 2005) werden die Anforderungen an Sicherheit und Zuverlässigkeit der Energieversorgung festgelegt. Der § 49 schreibt vor, dass Errichtung und Betrieb von Energieanlagen nach den allgemein anerkannten Regeln der Technik erfolgen müssen, die exemplarisch in den VDE-Bestimmungen zur Erzeugung, Fortleitung und Ableitung von Elektrizität ausgeführt sind. Dazu zählen aus der Normenreihe VDE 0140 der „Schutz gegen elektrischen Schlag“ und die „Wirkung des Stroms auf Menschen und Nutztiere“ sowie aus der Normenreihe VDE 100 die „Auswahl und Errichtung elektrischer Betriebsmittel, Schalt- und Steuergeräte“ sowie von Erdungsanlagen und Schutzleitern und der Schutzvorkehrungen gegen elektrischen Schlag.
Hinzu kommen Prüfungen der Maschinensicherheit nach DIN EN 60204 1 (VDE 0113 1) und der Blitzschutzsysteme gemäß DIN EN 62305-3 (VDE 0185-305-3 Beiblatt 3). Den exakten Prüfumfang legt die verantwortliche Elektrofachkraft zum Beispiel anhand einer Gefährdungsbeurteilung gemäß § 3 der Betriebssicherheitsverordnung von 2015 fest.
Übersicht: Relevante Normen und Vorschriften |
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DIN EN 61140 (VDE 0140-1):2016-11 Schutz gegen elektrischen Schlag – Gemeinsame Anforderungen für Anlagen und Betriebsmittel |
DIN IEC/TS 60479-1 (VDE V 0140-479-1):2007-05 Wirkungen des elektrischen Stromes auf Menschen und Nutztiere – Teil 1: Allgemeine Aspekte |
DIN VDE 0100-540 (VDE 0100-540):2012-06 Errichten von Niederspannungsanlagen – Teil 5-54: Auswahl und Errichtung elektrischer Betriebsmittel – Erdungsanlagen und Schutzleiter |
DIN VDE 0100-410 (VDE 0100-410): 2018-10 Errichten von Niederspannungsanlagen – Teil 4-41: Schutzmaßnahmen – Schutz gegen elektrischen Schlag |
DIN VDE 0100-530 (VDE 0100-530): 2018-06 Errichten von Niederspannungsanlagen – Teil 5-53: Auswahl und Errichtung elektrischer Betriebsmittel – Schalt- und Steuergeräte |
DGUV V3 (BGV A3) „Elektrische Anlagen und Betriebsmittel“ |
DGUV Information 203-007 (BGI 657) „Windenergieanlagen“ |
DIN VDE 0100-600 (VDE 0100-600): 2017-06 Errichten von Niederspannungsanlagen – Teil 6: Prüfungen |
DIN VDE 0105-100 (VDE 0105-100): 2015-10 Betrieb von elektrischen Anlagen – Teil 100: Allgemeine Festlegungen |
DIN EN 50522 (VDE 0101-2): 2011-11 Erdung von Starkstromanlagen mit Nennwechselspannungen über 1 kV |
DIN EN 60204-1 (VDE 0113-1): 2019-06 Sicherheit von Maschinen – Elektrische Ausrüstung von Maschinen – Teil 1: Allgemeine Anforderungen |
DIN EN 62305-3 (VDE 0185-305-3 Beiblatt 3): 2012-10 Blitzschutz – Teil 3: Schutz von baulichen Anlagen und Personen – Beiblatt 3: Zusätzliche Informationen für die Prüfung und Wartung von Blitzschutzsystemen |
Am Anfang der Schutzmaßnahmenprüfung steht eine allgemeine Besichtigung der elektrischen Anlage, bei der alle Leitungen nach Art der Verlegung begutachtet und die elektrischen Baugruppen auf ihren festen Halt, korrekten Anschluss, die Kennzeichnung und richtige Dimensionierung kontrolliert werden. Anschließend erfolgen die Prüfungen der Wirksamkeit von Schutzmaßnahmen sowie die Funktionsprüfungen. Zu den zentralen Prüfaufgaben zählen:
1. Die Messung von Spannung und Drehfeld
zum Nachweis der Funktionssicherheit der elektrischen Anlage. Dabei ist sicherzustellen, dass Sicherungen sowie einpolige Steuer- und Schutzeinrichtungen nur am Außenleiter angeschlossen sind und der Anschluss von Kabeln und Leitungen an die elektrischen Betriebsmittel fachgerecht durchgeführt wurde. Falls erforderlich muss auch die Spannungspolarität am Eingang der Anlage vor deren Inbetriebnahme geprüft werden.
2. Messungen der Durchgängigkeit von Leitern
durch Widerstandsprüfungen bei Schutzleitern, Schutzpotenzialausgleichsleitern und gegebenenfalls Körpern, um die Einhaltung der Abschaltbedingungen und das automatische Abschalten der Stromversorgung nachzuweisen. Die Widerstandsmessung jedes Schutzleitersystems wird zwischen der PE-Klemme und allen relevanten Punkten vorgenommen, die Teil jedes Schutzleitersystems sind. Weil die bei der Prüfung verwendete Stromstärke ausreichend klein sein sollte, um Brand- oder Explosionsgefahren auszuschließen, wird der Widerstand mit einem Strom zwischen mindestens 0,2 A und 10 A gemessen. Der Nachweis gilt als erbracht, wenn das Messgerät einen hinsichtlich Länge, Querschnitt und Material des relevanten Schutzleiters geeigneten Wert liefert. Ein höchstzulässiger Widerstandswert ist nicht vorgegeben, doch sollten die gemessenen Werte nicht höher ausfallen als der der Leitungslänge entsprechende Leiterwiderstand zuzüglich der üblichen Übergangswiderstände. Als Richt- und Erfahrungswerte können Widerstände < 1,0 Ω für das Schutzleitersystem und < 0,1 Ω für Potenzialausgleichsleiter dienen. Mit dem PROFITEST PRIME lassen sich die Messungen mit unterschiedlichen Prüfströmen ausführen. Außerdem sind 4-Leiter-Messungen bei Kabellängen bis 70 m für Kabelquerschnitte von 2 x 0,5 mm2 mit 200 mA bei automatischer Umpolung möglich.
3. Die Messung des Isolationswiderstands
um bei Neuerrichtung oder Übergabe einer elektrischen Anlage ihren ordnungsgemäßen Zustand sowie die Erfüllung der zugesagten Leistung nachzuweisen. Ein guter Isolationswiderstand ist ein Garant für eine sichere, effiziente und verlustfreie elektrische Anlage und zugleich eine wirkungsvolle Brandschutzmaßnahme. Die Isolationsmessung erfolgt im spannungslosen Zustand und wird in der Regel am Einspeisepunkt der Anlage vorgenommen. Ist der Messwert kleiner als der vorgegebene Wert, kann die Anlage in einzelne Stromkreisgruppen aufgeteilt werden, um den Isolationswiderstand jeder Gruppe zu messen. Wenn Stromkreise oder Teile von Stromkreisen durch Unterspannungs- Schutzeinrichtungen abgeschaltet werden, die alle aktiven Leiter unterbrechen, wird der Isolationswiderstand dieser Stromkreise oder Stromkreisteile gesondert ermittelt. Bei der Prüfung darf der mit 500 V Gleichspannung zwischen den Leitern des Hauptstromkreises und dem Schutzleitersystem gemessene Isolationswiderstand nicht weniger als 1 MΩ betragen. Für bestimmte Teile der elektrischen Ausrüstung – wie Sammelschienen, Schleifleitungssysteme oder Schleifringkörper – ist ein niedrigerer Wert erlaubt, der jedoch nicht kleiner als 50 kΩ ausfallen darf. Wenn Überspannungsschutzeinrichtungen oder elektrische Betriebsmittel die Prüfung beeinflussen oder bei der Prüfung beschädigt werden können, müssen diese Betriebsmittel abgetrennt werden. Kapazitive Verbraucher sind gemäß IEC 61010 Teil 1 nach der Messung zu entladen.
4. Die Messung des Netzinnen- und Schleifenwiderstands
5. Die Prüfung der RCD-Fehlerstrom-Schutzeinrichtungen
die gemäß DIN VDE 0100-530, Abschnitt 531 zum Schutz vor elektrischem Schlag, zur Abschaltung der Stromversorgung und zum Brandschutz zu installieren sind. Bei elektrischen Anlagen mit elektronischen Betriebsmitteln, die glatte Fehlerströme erwarten lassen, ist ein RCD vom Typ B oder B+ zum Schutz durch automatische Abschaltung zulässig. Die Prüfung der Fehlerstrom-Schutzeinrichtung RCD der Typen A, AC, A-EV, F, F-EV, B, B+, B-MI wird mittels Auslösestrom und Auslösezeit durchgeführt. Der Nachweis des Auslösestroms erfolgt mit ansteigendem Fehlerstrom, der zwischen 50% und 100% von IΔN liegen muss (meist bei ca. 70%). Durch Erzeugen eines Fehlerstromes hinter der Fehlerstrom-Schutzeinrichtung wird festgestellt, ob die Fehlerstrom-Schutzeinrichtung spätestens bei Erreichen ihres Nennfehlerstromes auslöst und die für die Anlage vereinbarte Grenze der dauernd zulässigen Berührungsspannung UL nicht überschritten wird.
Für Windkraft-Anlagen sind regelmäßige Schutzmaßnahmen-Prüfungen der elektrischen Sicherheit vorgeschrieben
Fazit
Mit dem PROFITEST PRIME und einer skalierbaren Software zum integralen Prüfdatenmanagement bietet Gossen Metrawatt die prüftechnischen Werkzeuge für die professionelle, normgerechte Schutzmaßnahmenprüfung der elektrischen Sicherheit. So reicht ein einziges Messgerät, um neben Schaltschränken, Maschinen und Industrieanlagen auch die elektrische Sicherheit von Photovoltaik- und Windkraftanlagen zu testen. Der große Funktionsumfang und die geräteübergreifende Messdatenverwaltung vereinfachen die Durchführung und Dokumentation komplexer Prüfungen und tragen so zur ausfall- und zukunftssicheren Stromerzeugung bei.
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